Immobilienbewertung
Wertermittlung nach §194 BauGB
Der Verkehrswert (Marktwert) wird durch den Preis bestimmt, der in dem Zeitpunkt, auf den sich die Ermittlung bezieht, im gewöhnlichen Geschäftsverkehr nach den rechtlichen Gegebenheiten und tatsächlichen Eigenschaften, der sonstigen Beschaffenheit und der Lage des Grundstücks oder des sonstigen Gegenstands der Wertermittlung ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse zu erzielen wäre.“
In dieser – sehr umfangreichen – Definition steckt alles, was der Wertermittler bei seiner Arbeit zu berücksichtigen hat:
… es soll der Verkehrswert (der Marktwert) ermittelt werden; mit Erneuerung des BauGB 2004 wurde klargestellt, dass diese Begriffe synonym zu verwenden sind
und der „aktuelle Wert der Immobilie auf dem Grundstücksmarkt“ gemeint ist,
… zum Zeitpunkt der Ermittlung, d.h. zu einem fest zu vereinbarenden Wertermittlungsstichtag und Qualitätsstichtag
➢ Wertermittlungsstichtag
- ist der Zeitpunkt, auf den sich die Wertermittlung bezieht
- gegenwärtiger oder zurückliegender Zeitpunkt
- keine Zeitspanne
- kein Zeitpunkt, der in der Zukunft liegt
➢ Qualitätsstichtag
- ist der Zeitpunkt, auf den sich der für die Wertermittlung maßgebliche Grundstückszustand bezieht
Im öffentlich-rechtlichen Bereich können jedoch Wertermittlungsstichtag und der maßgebliche Zeitpunkt für die Qualitätsermittlung des Grundstücks auseinander fallen.
Es kann sich hier sowohl um einen Zeitpunkt in der Vergangenheit als auch um einen Zeitpunkt in der Zukunft handeln. Als Beispiele sind hier zu nennen:
- die Enteignungsentschädigung für den Rechtsverlust nach § 95 BauGB
- der Anfangswert sowie der Endwert in der städtebaulichen Sanierungs- oder Entwicklungsmaßnahme
- Einwurfs- und Zuteilungsbewertung im Umlegungsverfahren (Einwurfswert = Verkehrswert vor erfolgter Bodenordnung…)
… im gewöhnlichen Geschäftsverkehr, also im Rahmen einer gewöhnlichen „normalen“ Käufer-Verkäufer-Beziehung;
„ungewöhnlicher Geschäftsverkehr“ wären beispielsweise Kauf- oder Verkaufsfälle, die nicht auf dem freien Markt gehandelt werden, wie z.B. mit Bund, Land oder Gemeinde.
… nach den rechtlichen Gegebenheiten, d.h. es sind alle rechtlichen Gegebenheiten wie z.B. Entwicklungszustand des Bodens, Flächennutzungsplan, Bebauungsplan, Ortssatzungen, Wasserschutz, Denkmalschutz, Sanierungs- oder Umlegungsgebiet, Einschränkungen aus Grundbucheintragungen, Mietrecht und nicht zuletzt eigentumsrechtliche Gegebenheiten (Alleineigentum, Gemeinschaftseigentum, Erbbaurecht u.v.m.) in der Wertermittlung zu berücksichtigen.
Man unterscheidet:
➢ Privatrechtliche Gegebenheiten, z.B.:
- Miet- und Pachtverträge
- Dauerwohnrecht (nach WEG)
- (privatrechtliche) Eintragungen im Grundbuch (Wohn- und Wohnungsrecht, Nießbrauchrecht, Wegerecht, Leibrenten u.a.m.)
- etc.
➢ Öffentlich-rechtliche Gegebenheiten, z.B.:
- Entwicklungszustand des Bodens - baurechtlich zulässige Art und zulässiges Maß der baulichen Nutzung (Flächennutzungsplan, Bebauungsplan, § 34 und § 35 BauGB, BauNVO, Landesbauordnungen u.v.m.)
- beitrags- und abgabenrechtlicher Zustand
- öffentlich – rechtliche Eintragungen im Baulastenverzeichnis (in Bayern = im Grundbuch), wie z.B. Abstandsflächen-, Stellplatz-, Vereinigungs-, Erschließungsbaulast u.v.m. - Naturschutz
- Denkmalschutz
- Satzungen der Städte und Gemeinden
- etc.
… und tatsächlichen Eigenschaften, wie z.B. Grundstücksgröße, -zuschnitt, Topographie, Bodengüte, die tatsächlich vorhandene/s Art und Maß der Nutzung des Objektes (eigen genutzt oder Renditeobjekt) und der Freiflächen (Garten oder Parkfläche), Art, Bauweise, Anzahl und Ausrichtung der Gebäude auf dem Grundstück, die Ausstattung, der energetische Zustand u.v.m.
… der sonstigen Beschaffenheit, wie z.B. Baumbestand auf dem Grundstück, Überland Stromleitungen, unterirdische Pipelines, Altlasten, Bergbaugebiet, das Alter des Objektes, der Instandhaltungs- und Modernisierungszustand, das Vorhandensein von Baumängeln und/oder Bauschäden, Grundrisseigenschaften u.v.m
… und der Lage des Grundstücks; - hier sind Makrolage, Mikrolage, vorhandene Immissionen und Emissionen, Infrastruktur, Verkehrsanbindung, Standortimage, Nachbarschaft, u.v.m. zu berücksichtigen.
…oder des sonstigen Gegenstands der Wertermittlung; - das sind „dingliche Rechte*“, wie z.B. Wohnungseigentum, Teileigentum oder „beschränkte dingliche Rechte“ wie das Erbbaurecht, Dienstbarkeiten, Reallasten u.v.m.
… ohne Rücksicht auf ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse, d.h. unter Wahrung der Objektivität, Neutralität und Weisungsfreiheit; Beispiele für ungewöhnliche oder persönliche Verhältnisse sind, z.B. der Flächenzukauf an einem Nachbargrundstück, der Kauf/Verkauf unter Verwandten, guten Freunden oder auch ungewöhnlicher Zeitdruck (Zwangsverkauf) u.v.m.